Gerne weniger

sabine wittig, kommunikationsberaterin aus stuttgartVor einigen Jahren begann ein neues Jahr für mich mit einer Fastenwoche. Das war eine spannende Erfahrung. Ich fühlte mich energiegeladen und unglaublich fit. Konnte Gerüche besonders intensiv wahrnehmen und hatte danach für recht lange Zeit keine Lust mehr auf Süßes. Die Wiederholung im darauffolgenden neuen Jahr verlief nicht ganz so gut. Am Tag des Fastenbrechens spielte mein Kreislauf verrückt. Seitdem faste ich nur noch selektiv – aber dafür länger als eine Woche. Immer vom 1. Januar bis zu meinem Geburtstag Mitte Februar trinke ich keinen Alkohol.

Dieses Jahr verzichte ich zusätzlich auf Konsum (Lebensmittel ausgenommen), Süßigkeiten und Zucker im Kaffee (den versuche ich mir schon seit längerem abzugewöhnen).

Die Alkoholaskese fällt mir leicht. Auch der temporäre Konsumverzicht (keine Kleidung, keine Wohnsachen, keine Bücher, …) ist nicht sonderlich herausfordernd. Schon seit geraumer Zeit trenne ich mich lieber von Dingen, als dass Neues hinzukommt. (Was nicht bedeutet, dass ich bei feiner Keramik oder einem schönen Kleidungsstück nicht schwach wurde. Vom wahren Minimalismus bin ich weit, sehr weit entfernt.) In Sachen Bücher hab‘ ich ein bisschen geschummelt und im Dezember einen kleinen Vorrat angeschafft. Das mit den Süßigkeiten und dem Zucker ist wirklich schwer.

Im Dezember war ich spontan für zwei Tage in München und hab‘ vor der Rückfahrt in der Bahnhofsbuchhandlung das Buch (unbeauftragte Werbung) „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“ von Maren Urner gefunden. Was für ein Glück. Ich kann schon heute sagen, dass dieses Werk eines meiner wichtigsten Bücher 2020 sein wird. Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin und zeigt, wie uns die alltägliche (meist digitale) Informationsflut stresst und warum die Welt in vielen Bereichen in Wirklichkeit besser ist als die (meist negativen) Schlagzeilen es vermuten lassen. Und weshalb es entscheidend ist, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken.

Das Internet gehört zu meinem Leben (beruflich wie privat), ich mag meine Communities in den sozialen Medien und ich bin froh über die komfortablen Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung. Trotzdem gesellen sich zur Inspiration und zum freundlichen Austausch auch Überdruss und Unzufriedenheit. Dank Maren Urner weiß ich jetzt, woran das liegt. Den Griff zum Smartphone werde ich künftig deshalb öfter sein lassen. Also bitte nicht wundern, wenn es mit meinen Antworten bei Instragram, WhatsApp und Co. ein bisschen länger dauert. Ich bin wahrscheinlich im Garten oder bücherlesend auf dem Sofa. Mit einer Tasse Kaffee ohne Zucker.

Fotos: Sabine Wittig